Lajos Barta

Lajos Barta wurde 1899 in Budapest geboren. Schon als Kind fiel er durch seine besondere zeichnerische Begabung auf und erhielt früh Zeichenunterricht bei dem angesehenen Akademieprofessor Ede Telcs. Die eigenständige künstlerische Positionsbestimmung als Plastiker setzte erst ab 1938 in Paris ein. Mit seinem Lebenspartner, dem ungarischen Maler Endre Rozsda (1913-1999) erschloss er sich die Welt des Surrealismus und interessierte sich zunehmend für die Ideen der Gruppe Abstraction-Création und deren Auseinandersetzung mit dem Thema der Abstraktion.

 

  

Selbstporträt – 1924

  

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Paris wurde sein Leben als Jude zunehmend schwieriger. Mit falschen Papieren kehrten Barta und Rozsda 1943 über Berlin in das vermeintlich sichere Budapest zurück. Hier vollzog Barta noch im selben Jahr den Schritt in die Ungegenständlichkeit und fühlte sich endlich am Ziel. Barta: »Als ich endlich abstakt geworden war, habe ich sozusagen eine göttliche Ruhe bekommen.« Im März 1944 marschierten deutsche Truppen in Ungarn ein. Barta musste den Judenstern tragen und entkam nur knapp einem Transport in die Vernichtung. Er konnte bei Freunden untertauchen und erlebte unentdeckt das Kriegsende.

Im Herbst 1945 wurde Barta Gründungsmitglied der »Europäischen Schule«, einer fortschrittlichen ungarischen Künstlervereinigung, die den Austausch mit den Ländern des Westens anstrebte und sich der Abstraktion verschrieben hatte. Bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1948 richtete die Künstlervereinigung 38 Ausstellungen aus, von denen Barta an vier Ausstellungen teilnahm. Die V. Ausstellung 1946 und die XXXI., 1948 widmeten sich exklusiv dem Bildhauer Lajos Barta und dem Maler Endre Rozsda. Barta gehört in diesen Jahren zu den führenden Avantgarde-Künstlern im freien Ungarn.

 

Planet umhüllt – 1948

 

  

Weiblichkeit – 1949

  

Neues Leben – 1949

 

Die Stalinistische Diktatur 1950 – 1956

Das Jahr 1949 brachte eine tiefe biografische Zäsur. Zwar konnte Barta sowohl als Zeichner wie auch als Bildhauer seinen reifen Personalstil begründen, der sein gesamtes weiteres Lebenswerk auszeichnen sollte, doch im selben Jahr übernahmen auch die Kommunisten die Macht. Mit Gründung der Volksrepublik Ungarn wurde die freie Kunst unterbunden. Gemäß der kommunistischen Lehre hatte die Kunst die Aufgabe der politischen Propaganda zu erfüllen. Abstrakte Kunst war daher unerwünscht und wurde aus der Öffentlichkeit verbannt. Für Barta kam das einem Berufsverbot gleich. Denn seine Kunst war abstrakt. Surrealistische und konstruktivistische Stilelemente hatte er nach langer Suche zu einer individuellen ausdrucksstarken Symbiose verschmelzen können. Sie lässt in ihrer biomorphen Körperlichkeit an die organoide Formensprache von Hans Arp und Constantin Brancusi denken, jedoch ohne das charakteristische Spiel mit dem Gleichgewicht in Bartas Kompositionen. Um seine Existenz nicht zu gefährden beugte sich Barta als Bildhauer dem öffentlichen Druck.

 

 

Entwurf für ein Stalindenkmal – 1950

 

Boldog Család (Glückliche Familie) – 1950

Er stellte seine freie abstrakte Arbeit ein und arbeitete nur noch gegenständlich im Stil des sozialistischen Realismus. Gefordert waren Entwürfe für Reliefs, Tondi oder Freiplastiken, die immer wieder im Kontext der architektonischen Neugestaltung der Hauptstadt standen. Als abstrakter Zeichner hingegen zog Barta sich in die innere Emigration zurück und verfolgte unverändert seiner eigenen künstlerischen Überzeugung.

 

Entfaltung des Schaffens 1956-1986

1956 brachte der Aufstand die Wende. Abstrakte Kunst wurde jetzt geduldet und war sogar öffentlich zu sehen. Unter hoher Anspannung, begann Barta die intensivste und kreativste Schaffensphase seines Lebens. In den beiden folgenden Jahren entstanden etwa 80 Plastiken, ein Fünftel seines Lebenswerks. Ihre Kompositionsprinzipien begründen eine Reihe sogenannter Formenfamilien, in denen sich das Schaffen weiter entfaltete. Herausragende Chefs d’Œuvre dieser Jahre fanden Eingang in wichtige europäische Museen, wie das Centre Pompidou und die Ungarische Nationalgalerie.

 

Tanz – 1967

Flughafenplastik – 1958

 

Erotische Bewegung – 1957/58

»Schlafendes Kind« – 1966

 

Garten Eden – 1973

Schwarm – 1973

 

Das große Format

Für Barta war das große Format immer ein wesentliches künstlerisches Anliegen. Vier Großplastiken konnte er bis 1965 in der Volksrepublik Ungarn realisieren, bevor zunehmende staatliche Reglementierungen ihn veranlassten, nach Deutschland auszuwandern. Im heutigen Arp Museum Bahnhof Rolandseck gelang dem Ungarn mit 66 Jahren eine zweite Künstlerkarriere. Nur vier Jahre später kam er im Kunstmuseum Bonn zu musealen Ehren. Und in der Folge dieser Ausstellung erhielt der den Auftrag für eine Großplastik im Bonner Hofgarten. Das war der Durchbruch. In den folgenden Jahren konnte Barta nun in etlichen Städten des Rheinlands immer wieder monumentale Freiplastiken im öffentlichen Kontext realisieren, so in Köln, Bonn, Wuppertal, Siegen, Mülheim a.d. Ruhr, und kurz vor seinem Tod seine letzte Freiplastik „Liebeskraft“ am Friedensmuseum in Remagen. Barta verstarb am 13. Mai 1986 in Köln. Seine Großplastiken sind sein künstlerisches Vermächtnis im Rheinland.

 

Großplastiken in Ungarn

Alle Großformate in Ungarn gehen auf staatliche Wettbewerbe in der Volksrepublik zurück. Um in der ideologisch geprägten Kulturpolitik, die dem Stil des sozialistischen Realismus den Vorzug gab, mit einem abstrakten Entwurf überhaupt eine Chance zu wahren, mussten zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Sockellosigkeit und die Funktionsgebundenheit. »Welle» und »Drei Pferdchen« fungierten als Plastiken für einen Spielplatz. »Welle«, wahrscheinlich die erste abstrakte Plastik in Ungarn überhaupt, wurde Anfang der 70er Jahre als vollwertiges Kunstwerk in den Museumsbestand in Pécs überführt.

»Welle« – um 1959, Pécs

»Vogel« – um 1960, Budapest

 

  

»Sonnenuhr« – um 1961, Siófok

»Drei Pferdchen« – 1964, Budapest

 

Großplastiken in Deutschland

Der erste großformatige Bronzeguss, den Barta je ausführen konnte, eröffnete ihm nach dem Gang zu einer Museumsausstellung in der Hauptstadt Bonn 1971, die Tür zu weiteren Großaufträgen im Rheinland. Die ausgeführten Modelle entstanden in der Regel nicht erst anlässlich des jeweiligen Wettbewerbs. Stattdessen wählte Barta sie aus seinem Formenvorrat aus. Oft ist der Realisation sogar ein mehrstufiger Selektionsprozess vorgeschaltet, der dazu führt, dass die freiplastischen Großformate im Rheinland häufig zu den Hauptwerken Bartas zählen, die auch in vielen europäische Museumssammlungen vertreten sind, so im Centre Pompidou oder der Nationalgalerie Ungarn.

  

»Couple« – 1969, Wuppertal / 1970, Bonn

»Schwingende« – 1971, Bonn

 

»Die Schutzsuchenden« – 1978, Köln

 

  

»Akrobaten« – 1980, Mülheim-Ruhr

 

»Frühling« – 1982, Universität Siegen

 

  

»Liebeskraft« – 1985, Remagen

 

»Uralte Form« – 1985, Köln /
1987, Székesfehérvár